Trauen wir uns? So steht es um das Vertrauen und die Verbundenheit in Deutschland
Vertrauen und Verbundenheit – zwei Begriffe, die zusammen den Grundstein des gesellschaftlichen Miteinanders bilden. Doch wie steht es eigentlich um das Vertrauen gegenüber den Kirchen? Wie verbunden fühlen sich die Menschen mit ihrer Kirche? Diese und viele weitere Fragen wurden im Rahmen der KMU 6 sowohl Kirchenmitgliedern als auch Konfessionslosen in ganz Deutschland gestellt – die Antworten finden Sie hier!
Auf einen Blick
Die spannendsten Ergebnisse
Zwei Drittel der evangelischen und drei Viertel der katholischen Kirchenmitglieder tendieren zum Kirchenaustritt.
Die Kirchen haben es mit in der Hand: Sie können drohenden Austritten mit Reformen entgegenwirken.
Protestant*innen entscheiden sich vor allem aus Gleichgültigkeit gegenüber Religion und Kirche für einen Kirchenaustritt.
Katholik*innen treten vor allem aus Wut und Zorn auf die eigene Kirche aus.
Wer konfessionslos aufwächst, bleibt dies mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit ein Leben lang.
Vertrauen in die Kirchen
Die Vertrauensfrage: Welchen Institutionen vertrauen die Menschen in Deutschland am meisten?
Das Wichtigste
Evangelische Kirchenmitglieder schenken ihrer eigenen Kirche mehr Vertrauen als der Bundesregierung.
Katholik*innen vertrauen der evangelischen Kirche mehr als ihrer eigenen Kirche.
Konfessionslose vertrauen keiner Institution so wenig wie der katholischen Kirche.
Sowohl Konfessionslose als auch evangelische und katholische Kirchenmitglieder bringen Universitäten und der Justiz sowie der Diakonie und Caritas das größte Vertrauen entgegen.
Während die evangelische Kirche im Vertrauens-Ranking vergleichsweise gut abschneidet, befindet sich die katholische Kirche in einer umfassenden Vertrauenskrise. Sogar die Katholik*innen selbst vertrauen nur dem Islam und politischen Parteien noch weniger als ihrer eigenen Kirche. Demgegenüber bringen die evangelischen Kirchenmitglieder der katholischen Kirche und dem Islam ein ähnlich geringes Maß an Vertrauen entgegen.
Grundsätzlich ist ein Vertrauensschwund festzustellen, der nicht allein auf einzelne Skandale zurückzuführen ist. Sowohl katholische als auch evangelische Kirchenmitglieder vertreten den Standpunkt, dass die eigene Kirche sich grundlegend verändern muss, wenn sie eine Zukunft haben soll. Katholik*innen stimmen dieser Aussage am entschiedensten zu. Weitere Informationen zu den Reformerwartungen an die Kirchen erhalten Sie hier.
Verbundenheit mit den Kirchen
Kritische Gläubige: Verbundenheit trotz Skepsis
Das Wichtigste
67 Prozent der evangelischen Kirchenmitglieder fühlen sich ihrer Kirche etwas verbunden. Weitere acht Prozent fühlen sich der Kirche sehr verbunden.
57 Prozent der katholischen Kirchenmitglieder fühlen sich ihrer Kirche etwas verbunden, sieben Prozent sogar sehr.
In Ostdeutschland fühlen sich 82 Prozent der evangelischen Kirchenmitglieder mindestens etwas mit ihrer Kirche verbunden, in Westdeutschland sind es 65 Prozent.
Etwa jedes vierte Kirchenmitglied sieht sich nicht als Christ*in.
Häufigkeitsverteilungen von Typen persönlicher Verbundenheit zur eigenen Kirche bzw. zum christlichen Glauben:
Ein Drittel aller Kirchenmitglieder in Deutschland fühlt sich zwar als Christ*in, sieht die Kirche jedoch nicht als bedeutsam für das eigene Leben an. Weitere 40 Prozent fühlen sich der Kirche verbunden, obwohl sie vielem in der Kirche kritisch gegenüberstehen. Lediglich sechs Prozent der Protestant*innen und vier Prozent der Katholik*innen bezeichnen sich als gläubige Kirchenmitglieder, die eng mit der Kirche verbunden sind.
Begründung der Kirchenmitgliedschaft
Wir gehen der Sache auf den Grund: Wie begründen Menschen ihre Kirchenmitgliedschaft?
Das Wichtigste
43 Prozent der Protestant*innen und 35 Prozent der Katholik*innen geben als Grund für ihre Kirchenmitgliedschaft an, dass sich die Kirche für Gerechtigkeit in der Welt und für die Zukunft der Menschheit einsetzt.
50 Prozent der Protestant*innen und 43 Prozent der Katholik*innen begründen ihre Kirchenmitgliedschaft damit, dass sich die Kirche für Arme, Kranke und Bedürftige engagiert.
Es sind also in erster Linie soziale Motive entscheidend für eine Kirchenmitgliedschaft – diesen Motiven können auch nicht-religiöse Menschen zustimmen.
Gründe für eine Kirchenmitgliedschaft:
30 Prozent der Protestant*innen und 31 Prozent der Katholik*innen begründen ihre Kirchenmitgliedschaft damit, dass die Kirche ihnen inneren Halt gibt. Weitere 36 Prozent der Protestant*innen und 35 Prozent der Katholik*innen nennen den Wunsch nach einer kirchlichen Bestattung als Grund. Demgegenüber wird eine Mitgliedschaft qua Konvention – „weil sich das so gehört“ – von einem Großteil der Befragten abgelehnt. Es ist also nicht mehr die Konfessionslosigkeit, sondern die Kirchenmitgliedschaft, für die eine Begründung notwendig ist.
Eine kleine Gruppe von sechs Prozent der Protestant*innen und neun Prozent der Katholik*innen gibt als Grund für die Kirchenmitgliedschaft an, dass sie in der Kirche in Kontakt mit dem Heiligen kommen. Es erwarten also nur wenige Menschen heilige oder spirituelle Impulse von der Kirche.
Absicht zum Kirchenaustritt
Time to say God bye? Immer mehr Menschen tendieren zum Kirchenaustritt
Das Wichtigste
65 Prozent der evangelischen und 73 Prozent der katholischen Kirchenmitglieder erwägen einen Kirchenaustritt.
Je stärker die säkulare Orientierung von Kirchenmitgliedern ist, desto höher ist ihre Neigung zum Kirchenaustritt.
Protestant*innen treten insbesondere deshalb aus der Kirche aus, weil ihnen die Themen Religion und Kirche im Laufe der Zeit gleichgültig geworden sind.
Katholik*innen entscheiden sich vor allem aus Wut und Enttäuschung für einen Kirchenaustritt.
Meinung zum Kirchenaustritt in Abhängigkeit vom Ausmaß ihrer säkularen Orientierung:
Gründe für die Neigung zum Kirchenaustritt:
Trotz der massiven Kirchenaustritte in den vergangenen Jahren steigt der Anteil der Austrittsbereiten weiter an: Wollten 2012 nur 26 Prozent der evangelischen Kirchenmitglieder aus der Kirche austreten, sind es heute 65 Prozent. Diese Entwicklung ist ein alarmierendes Zeichen kirchlicher Instabilität.
Die KMU vertraut der Urteilskraft der Kirchenmitglieder und der gesamten Gesellschaft und wirft deren ungeschminkten und kritischen Blick zurück auf uns: Was denken die Leute über die Kirche? Welche Erwartungen haben sie? Das möchten wir durch die KMU erfahren.
Dr. h.c. Annette Kurschus, ehem. Ratsvorsitzende der EKD
Gewünschte Reformen
No Time to say God bye! So lassen sich weitere Kirchenaustritte verhindern
Das Wichtigste
Die Kirchen haben es in der Hand: Sie können den drohenden Kirchenaustritten mit gezielten Maßnahmen teilweise entgegenwirken.
Ein deutlicheres Eingeständnis von Schuld der Kirchen angesichts von Fehlern und Versäumnissen der Vergangenheit würde 77 Prozent aller Menschen, die einen Austritt erwägen, zum Verbleib bewegen.
66 Prozent der Befragten würden in der Kirche bleiben, wenn die Kirchen sich radikal reformieren würden.
Gründe bislang unentschlossener Kirchenmitglieder für einen Verbleib in der Kirche:
Die gute Nachricht: Mit konkreten Maßnahmen kann weiteren Kirchenaustritten gezielt entgegengewirkt werden. Ein deutlicheres Schuldbekenntnis der Kirchen würde 82 Prozent der katholischen und 70 Prozent der evangelischen Kirchenmitglieder, die über einen Austritt nachdenken, zum Bleiben bewegen. Auch einschneidende Reformen könnten bei einer Mehrheit von 71 Prozent der austrittsgefährdeten, bislang jedoch noch unentschlossenen Katholischen, und 55 Prozent der Evangelischen einen Kirchenaustritt verhindern.
Um einen Kirchenaustritt zu vermeiden, wünschen sich 66 Prozent der evangelischen und 77 Prozent der katholischen Kirchenmitglieder mehr Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männern in der Kirche. Sowohl Protestant*innen als auch Katholik*innen teilen mit 42 bzw. 43 Prozent der Befragten die Ansicht, dass sie ein stärkeres gesellschaftspolitisches Engagement der Kirche von einem Kirchenaustritt abhalten würde. Dagegen würden nur 19 Prozent der evangelischen und 29 Prozent der katholischen Kirchenmitglieder auf einen Austritt verzichten, wenn sich die Kirche stärker auf religiöse Fragen konzentrieren würde. Es ist also nicht der Mangel an religiösen Angeboten, der die Menschen zum Kirchenaustritt bewegt. Vielmehr werden von den Kirchen grundlegende Reformen erwartet.
Entkirchlichung und räumliche Durchmischung
Die Konfessionskonstante: Das Gros der Deutschen bleibt der Geburtskonfession treu
Das Wichtigste
71 Prozent aller Menschen in Deutschland haben ihre Konfessionszugehörigkeit im Laufe des Lebens niemals verändert.
25 Prozent sind aus ihrer Religionsgemeinschaft ausgetreten und jetzt konfessionslos.
Nur acht Prozent derjenigen, die als Kinder keine religiöse Zugehörigkeit hatten, sind später einer Religionsgemeinschaft beigetreten.
Wie die Ergebnisse der KMU 6 zeigen, wechseln Menschen ihre Konfession nur selten. Einzige Ausnahme: Sie werden konfessionslos. Diese Entwicklung führt zu einem Prozess der Entkirchlichung, bei dem nur die Zahl der Konfessionslosen zunimmt.
Anders als noch vor einigen Jahrzehnten ist die Konfessionszugehörigkeit heute kaum mehr regional geprägt. Denn: Migrationsströme und die damit verbundenen Wanderungsbewegungen haben sowohl innerhalb Deutschlands als auch über die Landesgrenzen hinaus zu einer räumlichen Durchmischung der Konfessionen geführt. In Ostdeutschland ist eine gewisse Konsolidierung festzustellen, die sich verglichen mit dem Westen durch eine deutlich höhere Kirchenbindung der evangelischen Kirchenmitglieder äußert.
Während in der katholischen Kirche 68 Prozent der früheren Kirchenmitglieder zum Zeitpunkt der Befragung weiterhin Mitglied in ihrer Kirche waren, sind es bei den Protestant*innen 59 Prozent. Die größte Herausforderung für die evangelische Kirche besteht also darin, die Zahl der Kirchenmitglieder in Zukunft zu stabilisieren.
Perspektiven kirchlichen Handelns
In vier Schritten zu gestärkter Verbundenheit und neuem Vertrauen
1.
Zukunftsfähig aufstellen
Kirchliches Handeln ist gut beraten, wenn es sich an der weit verbreiteten Erwartung orientiert: „Kirche ist reformfreudig“.
2.
Ansprechbar bleiben
Kirche lebt von sozialer Nähe. Diese wichtige Einsicht sollte für kirchliche Organisationen präsent bleiben, gerade wenn sie kleiner und vor Ort weniger präsent werden. Sonst geht Menschen ein Identitätsanker verloren.
3.
Transparenz schaffen
Um Vertrauen aufzubauen, müssen Kirchen verlässlich und vorhersehbar kommunizieren, was sie tun und wofür sie stehen.
4.
In qualifiziertes Fachpersonal investieren
Wenn Menschen religiös sind, sind sie es mit hoher Wahrscheinlichkeit im Zusammenhang von Kirche. Das heißt: Niemand nimmt den Kirchen die Verantwortung ab, christlichen Glauben und christliche Religiosität in der Gesellschaft wach und in Bewegung zu halten. Dazu braucht die Kirche hochqualifizierte Mitarbeitende.
Jetzt sind Sie gefragt!
Wie verbunden fühlen Sie sich mit Ihrer Gemeinde? Was macht ein vertrauensvolles Miteinander aus? Und wie könnte verloren gegangenes Vertrauen in Zukunft zurückgewonnen werden? Teilen Sie uns Ihre Gedanken, Ideen und Impulse jetzt per E-Mail an info@ekd.de mit!