Lang nicht mehr gesehen? So steht es um die Gottesdienste in Deutschland
Kirche ist nur einmal im Jahr – dieses Motto gilt in Deutschland für immer mehr Menschen. Sie besuchen den Gottesdienst zwar zu besonderen Anlässen wie an Weihnachten oder Ostern, haben aber ansonsten kaum Berührungspunkte mit der Kirche. Wie ist es dazu gekommen? Was sind die Top-Anlässe für den Besuch eines Gottesdienstes? Und welche Erwartungen haben die Menschen an den Gottesdienst? Viele Fragen und noch mehr spannende Antworten finden Sie hier!
Auf einen Blick
Die spannendsten Ergebnisse
Nur ein kleiner Teil der Bevölkerung in Deutschland hält den Besuch von Gottesdiensten für wichtig.
Im Zuge der COVID-19-Pandemie ist die Quote der Gottesdienstbesuche deutlich gesunken. Aber: Seit dem Ende der Pandemie ist ein kleiner Aufschwung erkennbar.
Die Menschen erwarten vom Gottesdienstbesuch vor allem ein ästhetisches Erlebnis inklusive einer intellektuell ansprechenden Predigt und moderner Sprache.
Die Top 4 Anlässe für den Gottesdienstbesuch sind: (1) Kasualgottesdienste, (2) Gottesdienstbesuche an hohen Feiertagen, (3) Gottesdienste mit Musik, (4) Familiengottesdienste.
Bedeutung des Gottesdienstes
Richtig und wichtig oder richtig unwichtig? Das denken die Menschen über den Gottesdienstbesuch
Das Wichtigste
12 Prozent der Protestant*innen erachten den Gottesdienstbesuch als wichtig für das Christsein. Unter den Katholik*innen sind es 15 Prozent und unter den Konfessionslosen 18 Prozent. Das stellt zentrale konfessionelle Narrative infrage.
Konfessionslose sehen im Kirchgang eine größere Bedeutung für das Christsein als Kirchenmitglieder. Das spricht dafür, dass kirchenferne Menschen ein traditionell-konventionelles Bild vom kirchlichen Leben haben, das von den meisten Kirchenmitgliedern selbst gar nicht mehr geteilt wird.
Rund ein Viertel der Bevölkerung in Deutschland nimmt mehrmals pro Jahr an Gottesdiensten teil. Dabei liegt die Quote der Gottesdienstbesuche in Ostdeutschland höher als in Westdeutschland.
Kurzer Rückblick ins Jahr 2002: Damals kam die KMU 4 zu dem Ergebnis, dass 33 Prozent der westdeutschen Protestant*innen den Kirchgang als wichtig erachten. Heute zeigt sich ein ganz anderes Bild: Im gesamtdeutschen Vergleich erachten jetzt noch 12 Prozent der Protestant*innen den Gottesdienstbesuch als wichtig für das Christsein. Dieses Ergebnis spricht dafür, dass der Gottesdienst heutzutage einen deutlich geringeren Stellenwert im Leben der Menschen hat als in der Vergangenheit.
Auch der Sonntagsgottesdienst ist für die meisten Menschen in Deutschland längst nicht mehr gesetzt. So nehmen nur noch acht Prozent der Katholik*innen einmal pro Woche oder öfter am Gottesdienst teil. Unter den Protestant*innen sind es drei Prozent.
Besucherquote
Kirche nach Corona: Zahl der Gottesdienstbesuche stabilisiert sich etwas
Das Wichtigste
Die Quote der Gottesdienstbesuche ist in den vergangenen Jahrzehnten deutlich gesunken. Die COVID-19-Pandemie hat diesen Trend noch weiter beschleunigt.
Die frohe Botschaft: Nach einem absoluten Tiefpunkt während der Pandemie hat sich die Quote der Gottesdienstbesuche im Jahr 2022 wieder etwas erholt.
Bei den Katholik*innen sind die Gottesdienstbesuche seit 1990 um etwa 20 Prozent gesunken. Bei den Protestant*innen liegt der Rückgang mit sieben Prozent deutlich niedriger.
Anteil der Personen, die häufiger als einmal pro Jahr an einem Gottesdienst teilnehmen
Anders als erhofft spielen digitale Gottesdienstformate nach Corona in etwa eine genauso große Rolle wie analoge Gottesdienste. Demzufolge haben sich die Hoffnungen, die während der Pandemie an digitale Gottesdienste gerichtet wurden, nicht bestätigt.
Neben der Pluralität wird der Wunsch nach Individualität immer größer, die sich besonders in den Kasualien bemerkbar macht. Dafür braucht es Mut, Traditionen zu bewahren und gleichzeitig Neues zu wagen, ohne beides in Konkurrenz zueinander zu stellen.
Josephine Teske, Ratsmitglied der EKD
Anlässe für den Gottesdienstbesuch
Special Event! So wichtig sind Kasualgottesdienste für die Besuchszahlen
Das Wichtigste
Kasualgottesdienste bilden für 89 Prozent der Menschen, die im vergangenen Jahr mindestens einmal im Gottesdienst waren, den Anlass für einen Gottesdienstbesuch.
80 Prozent besuchen den Gottesdienst anlässlich hoher Feiertage wie Heiligabend oder Weihnachten.
Der agendarische Sonntagsgottesdienst verliert zunehmend an Bedeutung. Stattdessen kennzeichnet sich die Gottesdienstlandschaft heutzutage durch eine deutlich größere Pluralität und Diversität.
Anlässe für einen Gottesdienstbesuch:
Kasualgottesdienste haben im Gesamtvergleich aller Gottesdienste in Deutschland die größte Breitenwirkung. Damit bilden Kasualgottesdienste wie Taufen, Trauungen oder Konfirmationen einen zentralen Kontaktpunkt zu all den Menschen, die ansonsten kaum noch etwas mit der Kirche zu tun haben.
Wünsche und Erwartungen
Darauf kommt es an: Das erwarten die Menschen vom Gottesdienstbesuch
Das Wichtigste
85 Prozent der Befragten erwarten vom Gottesdienstbesuch, dass der Kirchenraum, die Musik und die gesamte Atmosphäre ansprechend gestaltet sind.
70 Prozent erwarten eine gute Predigt und 63 Prozent wünschen sich eine moderne Sprache.
Während sich 53 Prozent vom Gottesdienst eine Stärkung des Glaubens versprechen, erwarten 25 Prozent, etwas vom Heiligen zu erleben.
59 Prozent der Befragten erwarten vom Gottesdienst, dass sie dort für sich sein und ihren eigenen Gedanken nachgehen können. Demgegenüber besuchen 45 Prozent den Gottesdienst vor allem wegen des sozialen Kontakts zu anderen Menschen. Weitere 42 Prozent versprechen sich vom Kirchgang eine angenehme Unterbrechung ihres Alltags.
Perspektiven kirchlichen Handelns
In zwei Schritten zur Weiterentwicklung der Gottesdienstlandschaft
1.
Lebensrealitäten berücksichtigen
Die Gestaltung von Kasualien (und anderen Gottesdiensten) wird im Regelfall darauf ausgerichtet werden, dass Menschen keine Kenntnisse religiöser Traditionen und Praxis haben.
2.
Gemeindemitglieder befähigen
Angesichts des absehbaren Fachkräftemangels im Verkündigungsdienst wird es künftig zunehmend herausfordernder, Gottesdienste in vielfältiger Form zu feiern. Die Gruppe, für die der Gottesdienst eine hohe Bedeutung hat, sollte mehr denn je in die Verantwortung für die Gottesdienstfeier einbezogen und entsprechend befähigt werden.
Jetzt sind Sie gefragt!
Was möchten Sie persönlich in einem Gottesdienst erleben? Ist es für Sie wichtig, wie viele andere Menschen dabei sind? Und wie könnte der Gottesdienst der Zukunft aussehen? Teilen Sie uns Ihre Gedanken, Ideen und Impulse jetzt per E-Mail an info@ekd.de mit!