Der große Konfessionsvergleich: Wie unterscheiden sich evangelische und katholische Kirchenmitglieder voneinander?
Achtung, Premiere! Die aktuelle KMU ist die erste der sechs Kirchenmitgliedschaftsuntersuchungen, in der nicht nur Protestant*innen und Konfessionslose, sondern auch Katholik*innen befragt wurden. Die Ergebnisse liefern Einblicke dazu, wie die Konfessionen zueinander stehen.
Bei welchen Themen sind evangelische und katholische Kirchenmitglieder einer Meinung? In welchen Bereichen bestehen nach wie vor Differenzen? Und wie unterscheiden sich Konfessionslose von den beiden Religionsgemeinschaften?
Auf einen Blick
Die spannendsten Ergebnisse
- Konfessionalität spielt heute kaum noch eine Rolle. Die konfessionellen Identitätsmerkmale lassen sich empirisch nicht mehr bestätigen.
- Die Unterschiede zwischen Kirchenmitgliedern und Konfessionslosen sind deutlich größer als zwischen den Konfessionen.
- Eine kleine Minderheit der Konfessionslosen ist grundsätzlich für einen Wiedereintritt in die Kirche ansprechbar.
Bewertung kirchlicher Reformen
Der Wandel ist eingeläutet: So bewerten Protestant*innen und Katholik*innen die kirchlichen Reformen
Das Wichtigste
- Die überwiegende Mehrheit der Protestant*innen ist der Meinung, dass die Reformen ihrer Kirche in die richtige Richtung gehen.
- Katholik*innen haben größere Reformerwartungen als Protestant*innen.
- Evangelische Kirchenmitglieder haben eine geringere Distanz zu ihrer Kirche als katholische Kirchenmitglieder.
Reformerwartungen Ökumenische Zusammenarbeit
Meinungsbild zur These: "Evangelische und katholische Kirche sollten mehr zusammenarbeiten und nicht so sehr ihr eigenständiges Profil betonen."
Während katholische Kirchenmitglieder konkrete Reformerwartungen benennen, sind die Erwartungen der evangelischen Kirchenmitglieder eher allgemein und unspezifisch.
Die Erwartungen der Katholik*innen deuten darauf, dass sie sich gravierendere Veränderungen der kirchlichen Wirklichkeit wünschen. Die Austrittsgründe der Katholik*innen (z. B. Machtmissbrauch und Strukturen der katholischen Kirche) unterscheiden sich dabei von denen der Protestant*innen (Kirchenaustritt eher als schleichender Prozess).
Die Zusammenarbeit der Kirchen ist ein Gebot der Stunde, denn konfessionelle Abgrenzungen leuchten den meisten Menschen kaum noch ein. Es gilt, die christliche Botschaft zu stärken, nicht die konfessionellen Differenzen.
Prof. Dr. Detlef Pollack, Professor für Religionssoziologie, Universität Münster
Christliche Selbstwahrnehmung
Die Identitätsfrage: Bin ich evangelisch, katholisch oder einfach nur Christ*in?
Das Wichtigste
- Das Selbstbild einer besonderen konfessionellen Identität hat sich bei den meisten Kirchenmitgliedern aufgelöst.
- Die religiositätsbezogenen Unterschiede zwischen evangelischen und katholischen Kirchenmitgliedern sind in den vergangenen Jahrzehnten immer kleiner geworden.
In der Vergangenheit war der Faktor der Konfessionalität für die Kirchen von großer Bedeutung, um zu ihrem jeweiligen Selbstverständnis zu finden. Heute spielt Konfessionalität empirisch kaum noch eine Rolle. Dies lässt sich unter anderem dadurch erklären, dass sich die ehemals konfessionellen Großregionen in Deutschland durch eine erhöhte Mobilität längst durchmischt haben.
Konfessionelle Annäherung
Vor Gott sind alle Konfessionen gleich: Kaum noch Unterschiede zwischen Protestant*innen und Katholik*innen
Das Wichtigste
- Bei soziodemografischen Merkmalen wie etwa der Schulbildung sind heute keine konfessionellen Unterschiede mehr feststellbar.
- Evangelische und katholische Kirchenmitglieder sind in gleichem Maße religiös, gläubig, bibelorientiert und haben – statistisch betrachtet – ähnliche religiöse Erfahrungen gemacht.
- Selbst in der Gruppe der religiösen Christ*innen sind konfessionelle Unterschiede nicht mehr belegbar.
- Bei den Katholik*innen gehen sämtliche Formen von Religiosität schneller zurück als bei Protestant*innen. Die Folge ist, dass sich das Niveau der Religiosität beider Konfessionen immer weiter annähert.
Bedeutung von Religiosität auf unterschiedliche Lebensbereiche, unterschieden nach Konfessionen
Bei Werteorientierungen wie dem Streben nach Selbstverwirklichung, der Offenheit für Neues sowie dem Vertrauen in Mitmenschen und gesellschaftliche Institutionen finden sich heute keine nennenswerten Unterschiede mehr zwischen Protestant*innen und Katholik*innen.
Auch das Ausmaß säkularer und szientistischer Orientierungen ist in beiden Gruppen sehr ähnlich verteilt. Gleiches gilt für den Wunsch nach einer kirchlichen Bestattung. Darüber hinaus unterscheiden sich evangelische und katholische Kirchenmitglieder ebenfalls nicht hinsichtlich ihrer Kontakte zu kirchlichen Einrichtungen und Personen sowie ihren christlichen Auffassungen und Motiven.
Einige wenige Unterschiede zeigen sich im Hinblick auf religiöse Praktiken, die historisch bedingt konfessionell geprägt sind. So nehmen Katholik*innen signifikant öfter an Wallfahrten teil, fasten häufiger und zünden öfter aus religiösen Gründen eine Kerze an. Auch bei der Zahl der Gottesdienstbesuche und der Häufigkeit des Betens haben die Katholik*innen aktuell noch einen kleinen, schrumpfenden Vorsprung. Demgegenüber legen Protestant*innen beim Gottesdienst größeren Wert auf die Predigt.
Orientierungen im Vergleich
Konfessionslos ist nicht gleich gottlos! Wie unterscheiden sich Kirchenmitglieder von Konfessionslosen?
Das Wichtigste
- Zwischen Kirchenmitgliedern und Konfessionslosen zeigen sich große Unterschiede – sowohl im Hinblick auf soziodemografische Merkmale als auch in Bezug auf ihre Werteorientierung.
- Unter den Konfessionslosen gibt es eine kleine Untergruppe, die als religiös bezeichnet werden kann.
- Die Mehrheit der Konfessionslosen ist gekennzeichnet durch extrem niedrige Religiositätswerte.
- Konfessionslose sind tendenziell jünger als der Bevölkerungsdurchschnitt und reisen viel.
Konfessionslose glauben nur selten an Gott, höhere Mächte oder ein Leben nach dem Tod. Sie gehen selten in die Kirche, beten kaum und verfügen über wenig religiöse Erfahrung. Den Kirchen vertrauen Konfessionslose nur in geringem Maße. Darüber hinaus zeichnet sich die Gruppe durch eine geringe Taufbereitschaft aus. Auch der Wunsch nach kirchlicher Bestattung ist bei den Konfessionslosen nur wenig verbreitet. Viele von ihnen lehnen das Christentum als Grundlage der westlichen Kultur ab. Während Selbstverwirklichung und Unabhängigkeit für Konfessionslose besonders wichtig sind, spielen Traditionen in ihrem Leben keine große Rolle.
Unter den Konfessionslosen gibt es eine kleine, rund 10 Prozent umfassende Untergruppe, die sich durchaus als religiös bezeichnen lässt. Dabei handelt es sich überwiegend um ehemalige Katholik*innen, die der älteren Generation angehören. Die Bewahrung von Traditionen ist ihnen wichtig. Diese Untergruppe ist vor allem als Reaktion auf kirchliche Skandale oder aus Empörung über kirchliche Stellungnahmen aus der Kirche ausgetreten. Die Entscheidung zum Austritt fiel ihnen schwerer als den übrigen Konfessionslosen. Dennoch scheint auch für sie das Kapitel Kirche endgültig abgeschlossen zu sein: Nur 17 Prozent von ihnen bereuen ihren Austritt.
Perspektiven kirchlichen Handelns
In drei Schritten zu einem neuen Blick auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede
1.
Selbstverständnis schärfen
Die konfessionelle Identität der Kirchen ist im Bewusstsein von Christ*innen stark in den Hintergrund getreten. In Zukunft wird das konfessionelle Selbstverständnis von der gemeinsamen Deutungsleistung all jener abhängen, die sich mit der jeweiligen Konfession identifizieren.
2.
Profilierungen ausloten
Wie Kirchen zu dem geworden sind, was sie heute sind, ist Teil ihrer Identität. In der gesellschaftlichen Wahrnehmung spielt dies kaum mehr eine Rolle. Es gilt also, realistisch einzuschätzen, wo konfessionelle Profilierungen einen Mehrwert besitzen und wo sie keine Orientierungsleistung mehr bieten.
Deshalb wird es zukünftig darum gehen, die Situation als Minderheit nüchtern anzuerkennen und sich darauf zu fokussieren, dass das Evangelium allen Menschen gilt und deswegen gut auffindbar und für jede und jeden zugänglich sein sollte.
3.
Status quo anerkennen
Ein realistisches Bild der Menschen zu entwickeln, die keiner Konfession angehören, hilft, Enttäuschungen zu vermeiden: Wer nie Kontakt zur Kirche hatte, wird ihn auch nur ausnahmsweise später aufbauen.
Jetzt sind Sie gefragt!
Welche konfessionellen Unterschiede nehmen Sie in Ihrem Alltag wahr? Wie erleben Sie die ökumenische Zusammenarbeit? Und wie könnten auch Konfessionslose in Zukunft von den Kirchen erreicht werden? Teilen Sie uns Ihre Gedanken, Ideen und Impulse jetzt per E-Mail an info@ekd.de mit!