Hilft der christliche Glaube, den Klimawandel aufzuhalten?
Den menschengemachten Klimawandel aufzuhalten, das ist die wohl größte Herausforderung der Menschheit. Die Kirche weist schon seit Jahrzehnten darauf hin: Der ungebremste Ressourcenverbrauch schädigt die Schöpfung und kann zu ihrer Zerstörung führen. Ob Gegenmaßnahmen Erfolg haben, hängt in hohem Maß von unserer Einstellung ab. Die KMU 6 hat sich auch diesem Thema gewidmet. Wir wollten wissen: Haben Kirche und Religion die Kraft, das Umweltbewusstsein der Menschen zu beeinflussen? Die Daten können dazu beitragen, neue Erkenntnisse auf diesem Forschungsgebiet zu gewinnen.
Auf einen Blick
Die spannendsten Ergebnisse
Die meisten Menschen in Deutschland sehen eine Klimakatastrophe kommen
Sich die Welt „untertan“ machen? – Das wollen die Wenigsten
Religiosität hat so gut wie keinen Einfluss auf das Klimabewusstsein
Kirchen sollten sich mehr für Klimaschutz einsetzen
Gebildete und zufriedene Menschen sind klimabewusster
Rechtskonservative Menschen sind weniger klimabewusst
Die meisten Menschen in Deutschland sehen eine Klimakatastrophe kommen
Wie Menschen in die Zukunft blicken
Das Wichtigste
Das Klimabewusstsein in Deutschland ist hoch.
84 % der Menschen befürchten eine Klimakatastrophe, 49 % davon sind sich sicher, dass sie
kommen wird. Nur 12 % stimmen eher nicht und 4 % gar nicht zu.Die Gegenfrage bestätigt dieses Ergebnis: Der Aussage, dass das Klimaproblem übertrieben
wird, stimmten 28 Prozent der Menschen zu, 72 % lehnten sie ab.
Sich die Welt „untertan“ machen? Das wollen die Wenigsten
Die meisten Menschen sind für einen verantwortungsvollen Umgang mit der Umwelt
Das Wichtigste
- Hat der Mensch als „Krone der Schöpfung“ das Recht, die Umwelt ohne Rücksicht auf die
Zukunft auszubeuten? Dieser Einstellung stimmten nur 6 % der Menschen in Deutschland zu,
alle anderen lehnen sie ganz oder eher ab. - Fast alle Menschen in Deutschland sind der Überzeugung, der Mensch sollte die Umwelt
nicht ausbeuten, sondern sie schützen und bewahren. - Eine umweltbewusste Einstellung führt jedoch nicht automatisch zu umweltfreundlichem
Handeln.
Geringeres Klimabewusstsein bei „dominion belief“
In den bisherigen Studien zum Thema Glaube und Umweltschutz hat sich der Begriff
„dominion belief“ herausgebildet. Mit diesem „Herrschaftsglauben“ ist die Einstellung
gemeint, dass sich der Mensch „die Erde untertan“ machen solle, so wie es im biblischen
Schöpfungsbericht steht (1. Mose 1,28). Menschen, die mit diesem Denkmuster leben,
haben meist auch ein geringeres Klimabewusstsein und verharmlosen den Klimawandel.
Dieser Glaube hat im Laufe der Geschichte auch immer wieder dazu beigetragen, dass
Menschen sich rücksichtslos gegenüber der Natur verhielten.
Allerdings ist der „dominion belief“ in Deutschland kaum noch verbreitet. Außerdem steht er
heute in keinem engen Zusammenhang mehr mit dem christlichen Glauben, sondern ist
unter Konfessionslosen und Nicht-Religiösen fast in gleichem Maße verbreitet wie unter
religiösen Menschen.
Religiosität hat so gut wie keinen positiven Einfluss auf das Klimabewusstsein
Die KMU bestätigt bisherige Studienergebnisse
Das Wichtigste
- Oft wird vermutet, dass Religion eine wichtige Rolle beim Wandel hin zu mehr
Nachhaltigkeit spiele und dass das Umweltbewusstsein unter religiösen Menschen
besonders hoch sei. Außerdem hätten die Religionen durch ethische Orientierung und durch
ihre Achtsamkeit ein besonderes Augenmerk auf den Schutz der Umwelt. Die KMU zeigt: Das
ist nicht der Fall. - Damit ergänzt die KMU die Erkenntnisse weltweiter Studien mit neuem statistischen
Material.
Dass Umweltbewusstsein sich automatisch auch auf das Handeln von Menschen auswirkt, ist
bereits durch zahlreiche Studien widerlegt worden. - Auch ein relevanter Zusammenhang zwischen Religiosität und dem Bewusstsein für
Umwelt- und Klimakrisen wurde durch bisherige Studien nicht festgestellt. - Die KMU kommt ebenfalls zu dem Ergebnis, dass Religion – egal in welcher Form – keinen
wesentlichen Einfluss auf ein höheres Umwelt- und Klimabewusstsein der Menschen in
Deutschland hat.
Einige Formen der Religiosität wirken sich negativ aus
In geringem Maß beeinflussen bestimmte Formen der Religiosität das klimabezogene Umweltbewusstsein negativ. Besonders der Glaube, die Menschen sollten sich die Erde untertan machen („dominion belief“), geht häufig mit einem geringeren Klimabewusstsein einher. Aber auch kirchenferne Religiosität mit esoterischen und spirituellen Glaubensinhalten hat oft ein niedrigeres Klimabewusstsein zur Folge.
Kirchen sollen sich mehr für Klimaschutz einsetzen
Menschen erwarten von den Kirchen mehr Einsatz
Das Wichtigste
- Mehr als Dreiviertel der Befragten (78 % ) erwarten und erhoffen von der Kirche, dass sie
sich mehr für den Erhalt der Umwelt einsetzt. - Die hohe Erwartung an mehr Umweltengagement der Kirchen ist unabhängig von der
Religiosität; auch die Kirchenmitgliedschaft spielt keine Rolle. - Bemerkenswert: Auch Konfessionslose und religionsferne Menschen wünschen sich von
den Kirchen mehr Einsatz für den Klimaschutz.
Gottes Schöpfung leidet und klagt. Der menschengemachte Klimawandel führt schon jetzt
weltweit zur Bedrohung und zum Verlust von Menschenleben, Artenvielfalt und
Biodiversität. Wo mögliche Lebensräume immer kleiner werden, bedroht das auch
menschliche Lebensgrundlagen, unser Zusammenleben und den Frieden auf unserem
Planeten. Als Geschöpf unter Geschöpfen zu leben in einer Welt, in der alles Leben
miteinander verbunden ist, erfordert den achtsamen und verantwortungsvollen Umgang mit
Gottes Schöpfung und ist deshalb fester Bestandteil der kirchlichen Verkündigung, des
Unterrichts an den Schulen, in den Gemeinden und auch in der Seelsorge. Dass bedeutet
natürlich ebenso, dass wir auch als Institution beim Klimaschutz sichtbar vorangehen. Die
EKD ist auf einem guten Weg, bis 2035 klimaneutral zu werden - das bedeutet aber auch für
uns noch deutlich größere Anstrengungen, insbesondere in den Bereichen energetische
Gebäudesanierung und emissionsfreier Verkehr. Beides wiederum braucht von der Politik
gesetzte gute Rahmenbedingungen, für die wir uns zusammen mit anderen
zivilgesellschaftlichen Akteur:innen immer wieder stark machen.
Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt, Schöpfungsbeauftragte der EKD.
Gebildete und zufriedene Menschen sind klimabewusster
Was das Klimabewusstsein stärkt
Das Wichtigste
Eine gute Schulbildung trägt zu einem höheren klimabezogenen Umweltbewusstsein bei.
Weitere Faktoren sind: eine gute wirtschaftliche Lage, eigenes ehrenamtliches Engagement
und Lebenszufriedenheit.Das Klimabewusstsein ist bei Menschen, die in kreisfreien Großstädten wohnen, höher als
bei Menschen in ländlichen Gebieten und bei Westdeutschen höher als bei Ostdeutschen.Frauen und jüngere Menschen sind klimabewusster als Männer und ältere Menschen.
Rechtskonservative Menschen sind weniger klimabewusst
Faktoren für geringes Klimabewusstsein
Das Wichtigste
- Menschen, die Institutionen wie Universitäten, Justiz oder Bundesregierung nicht
vertrauen, nehmen den Klimawandel oft nicht als bedrohlich wahr oder stellen ihn sogar in
Frage. - Auch Fremdenfeindlichkeit, die Orientierung an traditionellen Geschlechterrollen,
rechtskonservative bis reaktive Einstellungen und die Neigung zu Autoritarismus und
Populismus gehen häufig mit der Leugnung des menschengemachten Klimawandels einher.
Perspektiven kirchlichen Handelns
Das Wichtigste
- Die Gesellschaft erwartet einen aktiven Beitrag der Kirchen. Das wird insbesondere
durch einen umwelt- und klimabewussten Umgang mit dem kirchlichen Gebäude-
und Grundbesitz einlösbar. - Die Kirche sollte auch bei Themen rund um Umwelt- und Klimaschutz darauf achten,
dass ihr Reden und ihr Tun übereinstimmen. Wenn sich kirchliche Institutionen oder
einzelne kirchliche Akteur:innen zum Thema Klimawandel und Ökologie öffentlich
positionieren, sollte gut bedacht sein: Welche konkreten Maßnahmen im kirchlichen
Bereich können wir vorweisen? Ziel sollte sein, Menschen, die keinen Zusammenhang zwischen Religion und ökologischem Bewusstsein sehen, einfach und zwanglos erklären zu können: Das kirchliche Engagement für die Umwelt ist kein „Greenwashing“ und geschieht nicht aus politischen Gründen. Es wurzelt vielmehr im christlichen Schöpfungsglauben. - Die Kirchen haben viele Zugänge zu Gruppen, die ökologischen Themen eher fernstehen: Senior:innen, Jugendliche, Menschen aus konservativeren Milieus oder aus bildungsfernen Schichten. Kirchliche Bildungsarbeit kann hier bei Gelegenheit Verständnis dafür wecken, dass umwelt- und klimabewusstes Handeln aus christlicher Sicht sinnvoll und geboten ist.
- Die empirischen Ergebnisse belegen, dass Kirchenmitglieder im allgemeinen keineswegs umweltbewusster sind als der Querschnitt unserer Gesellschaft. Im Wissen darum sollten kirchliche Äußerungen zu ökologischen Themen auch mit einer gewissen Bescheidenheit erfolgen und eher motivieren als ermahnen oder gar verurteilen.
Jetzt sind Sie gefragt!
Welche Rolle spielt für Sie der Glaube, wenn es um die Schöpfungsbewahrung geht: Macht
er Sie achtsam für den Erhalt des Klimas? Oder sind es für Sie ganz unterschiedliche
Lebensbereiche: Glaube und Umweltschutz? Welche konkreten Schritte zum Umweltschutz
erwarten Sie von der Kirche? Und welche kennen Sie schon? Teilen Sie uns Ihre Gedanken, Ideen und Impulse jetzt per E-Mail an info@ekd.de mit!